Es war im Juli 2009 und die Stadt zusammen mit dem Forum Hospitalviertel hatte zu einer Informationsveranstaltung über die bevorstehende Sanierung eingeladen. Damals war noch die Rede von Pilotsanierung. Nach der Veranstaltung, aus der ich mit viel Unbehagen und der üblichen Wut im Bauch herausgekommen war, schrieb ich:
Sie haben alle eingeladen, alle die im Hospitalviertel wohnen, arbeiten, sich regelmäßig bewegen, ja, sie haben ein Blatt in die Briefkästen eingeworfen und es stand auch in den Zeitungen. Es ging um die Sanierung des Hospitalviertels: sie haben alle zu einer Versammlung eingeladen, auf der das nun beschlossene und deswegen würde-man-denken feststehende Projekt vorgestellt werden sollte. Ich habe mich also auch eingeladen gefühlt und bin hingegangen. Brachte die Hoffnung mit, auf eine verständliche Weise über die Pläne für dieses Viertel informiert zu werden.
Sie haben uns fast zwei Stunden lang mit Paragraphen über Sanierungsmaßnahmen und Zuschüsse für Hauseigentümer tot geredet. Es war eine surrealistiche, eine „dada“ Situation. Es war als ob wir uns alle in einem riesigen Hauseigentümerberaterbüro, so etwa wie beim GrundundBodenVerein befänden. Das surrealistische lag daran, daß es im Hospitalviertel ganz wenige kleine Hauseigentümer gibt, denn das Meiste liegt in den Händen von Kirchen, Banken und sonstigen Großen: Bekanntlich ist das ja kein – wie man auf Italienisch sagt – quartiere residenziale, kein Wohnviertel. Die Veranstaltung hatte etwas vom Wahnsinn, ich habe mich die ganze Zeit gefragt, woran ich geraten war.
Die Redner haben wiederholt (und etwas verzweifelt) gesagt, daß Ideen gefragt seien (dabei war es klar, daß sie selbst keine hatten) und daß der Rahmen für die Sanierung fest stehe. Fest stehe??!! Abgesehen von einem Paar Blumenbeeten, die man umzugestalten gedenkt, und vom Paar Hundert Metern Straße, die man verkehrsberuhigt haben wird, gibt es sonst andere Pläne, Projekte, Programme, Ideen? Die gibt es nicht!! Warum denn sonst das ganze Theater?
„Die Ausgangsbedingungen für die Sanierung des Hospitalviertels sind optimal“ so die Vertreterin des „Forum Hospitalviertel“. Ja, in der Tat, optimal sind sie!!
Ein Stadtviertel mitten in der Stadt, tagsüber fast lebendig, abends tot. Da wohnt kaum jemand. Und die wenigen, was sind die wenigen, die noch da wohnen? Junge? Ältere? Familien? Kinder? Weißt jemand etwas von ihnen? Berücksichtigt man den Ist-Zustand gar nicht, wenn man die Zukunft planen will?
Die ehemalige gute Stube Stuttgarts, das war das Hospitalviertel. Gute Stube? Graue, veraltete Gebäuden, einige davon leer, miefige sechziger-siebziger Jahre Architektur.
Ein Stadtquartier ohne soziale Struktur, das ist heute das Hospitalviertel. Was will man da sanieren? Rekonstruieren sollte man das Viertel, ja rekonstruieren, wieder konstituieren, zusammenfügen bis es zum Leben kommt. Und wo fängt man an? Bei den Blumenbeeten? Nein, bei den Menschen fängt man an. Menschen muß man wieder hier rein bringen, sie an das Viertel emotional verankern. Nur eine ausgeglichene, vernünftige, soziale Struktur bringt wieder Leben wo es keines gibt und kann dieses Viertel heilen.
Und ich? Ich habe mein Restaurant da, mag es und mag auch die Leute, die es besuchen. Im Restaurant bin ich ja. Aber wenn ich daraus gehe und auf die Straße trete, das Einzige woran ich denke ist wegzukommen. Wäre mein Restaurant nicht im Hospitalviertel, hätte ich auch keinen Grund hierher zu kommen.
Während der Veranstaltung appelliert man also wiederholt an die kleinen Eigentümer, die es nicht gibt. Beweist das vielleicht nicht, dass es im Grunde niemand wirklich glaubt, aus dieser Sanierung ein gutes Pilotprojekt zu machen? Man wird im Bereich des Kleinkarierten bleiben: Verschönerung der Büchsenstraße + Hospitalplatz, ein Paar Beeten mehr, ein Paar Bäume weniger. Eben.
Was sollte man tun?
Lobbyarbeit leisten, das sollte man. Dieser netter Verein „Forum Hospitalviertel“ sollte sich mal die Großen, die Banken und die Kirchen vornehmen, sie Verpflichten, aus diesem Viertel etwas menschliches zu tun. Zu einfach einen Standort ausnutzen so lange es attraktiv ist, um es dann zu verlassen und die eigenen Monumente der Hässlichkeit so leer da stehen lassen.
Stattdessen wird man warten, bis der nächste Großinvestor kommen wird. Dann wird man sich froh in seine Arme werfen und er wird so sanieren dürfen, wie er mag. Von wegen Menschen! Von wegen soziale Struktur und beispielhafte Sanierung! Na ja, schon jetzt sind die meisten Bewohner des Hospitalviertels Ältere, Nichtdeutsche und Hausmeister, was sowieso kaum Wert in der allgemeinen Sanierungswerteskala hat. Wer soll sich gegen das wehren, was kommen wird?