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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 14:27
Wir sind wieder am SET der Filmgalerie 451 und zwar ganz kurzfristig: Am Montag 15.09.08 findet hier LAUSCHEN UND LÖFFELN mit der Lesung vom letzten Kapitel des Romans DIE VERLOBTEN statt. Die Kulturgarage zieht deshalb für diesen Abend in THE SET DER FILMGALERIE 451 um, weil wir Auszüge aus den Filmversionen des Romans zeigen wollen.

Also, wie immer: Dorothea Baltzer und Cesare Ghilardelli lesen (auf Deutsch und auf Italienisch) und ich koche.

Es fängt etwas früher (Einlass ist ab 18.45 Uhr, Beginn um 19.00 Uhr) mit den Vorspeisen an und dann alternieren sich wie immer Lesung und Essen... und Film!

Eintritt: 6 €. Das Essen kostet wie immer... und ich weiß wie immer noch nicht was ich koche! Na ja, lassen wir uns überraschen!

Anmelden (bitte!) kann man sich entweder bei mir (0711 6494804 oder lorettapetti@aol.com) oder bei der Filmgalerie (0711 632859, Gymansiumstr. 52, 70174 Stuttgart)

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 14:24
Es gibt Firmen, auch große, die fast kein Lager mehr haben: Autos und Autoteile werden just in time hergestellt, sogar elektronisches Zeug wird in manchen Fällen auf Bestellung produziert.
Im Grund sagen Lagerung und Transport eines Produktes sehr viel über seine Herstellung, seine Beschaffenheit und seine Qualität aus: Sie sind ein Schlüssel, um zu verstehen, wie frisch, wie aktuell, neu und modern es ist.
Man wäre geneigt zu denken, daß Obst und Gemüse mehr als alle andere Waren möglichst "just in time" auf den Markt und zum Verbraucher kommen, daß nämlich gerade in diesem Fall Lagerung und Transport wegen der Frische möglichst kurz sind. Logisch. Aber falsch.
Leider scheint die Sparte Lebensmitteln in dieser Hinsicht sich noch in den 70er Jahren zu befinden, mit mehreren Lagerungsphasen, langen Transportwegen und viel zu vielen Zwischenhändlern.
Wie sieht der Weg von dem Obst und dem Gemüse aus, die wir aus Italien bekommen und kaufen (müssen)?

Nehmen wir eine Tomate als Beispiel. Also, das Objekt unserer Begierde wird geerntet, eventuell gewaschen oder gereinigt, in Kisten verpackt und zu einem Sammelpunkt gebracht. Von hier wird es in Lastwagen geladen (die meisten davon fahren ungefähr jeden zweiten Tag ab), die Verona als Ziel haben, denn Verona ist die Sammelstelle, aus der die Waren über den Brenner nach Deutschland transportiert werden.
In Verona wird die Tomate in die internationalen LKWs (die TIR) umgeladen, die auch erst jeden zweiten Tag in Richtung Deutschland abfahren. In Deutschland - z.B. in Stuttgart – angekommen, wird unsere Tomate nun auf dem Großmarkt in die Hallen der großen Importeure gelagert, von da kommt sie in die kleineren Hallen der verschiedenen Großhändler, um dann auf einem Lastwagen oder Kleinbus oder Auto endlich entweder zum Gastronomen oder zum Einzelhändler gebracht zu werden.
Wie lange nun war unsere Tomate vom Feld oder vom Glashaus bis nach Stuttgart auf unserem Teller unterwegs? Eine Woche? 10 Tage? 2 Wochen?
Es ist ein lang(wierig)er Weg, den unsere Tomate gehen mußte, und eben dieser Weg zwingt den Produzenten an der Quelle, möglichst früh zu ernten, damit seine Tomate nicht zu reif oder gar kaputt das Endziel erreicht. Aber so reift sie in den Lagern und unterwegs, nicht an der Pflanze. Und so schmeckt sie auch nach Lager, nach Autobahn, nach Lastwagen, nach nix  oder im besten Fall nach Wasser. Nur  nicht nach Tomate.

Wir Italiener sind ein phantasievolles Volk – es ist allgemein bekannt -, das l’arte di arrangiarsi pflegt und meistert. Es wundert deswegen auch nicht, daß in der Gemüsewelt der Giganten ein Paar Kleine versuchen, mitzumischen. Die sieht man, diese Kleinen, mit ihren Zwergtransportern auf der Autobahn zwischen den Riesen. Ja, es gibt also einige wenige kleine Italiener, die Mühe und Gefahren auf sich nehmen und mit einem kleinen Bus Waren direkt aus Italien auf der von den riesigen LKW beherrschten Autobahn herbringen, um die Restaurants und Läden zu beliefern.
Nun, diese Kleinen - da sie mobiler und flexibler sind und manchmal durch halb Italien fahren und sich sowieso besser auskennen - hätten den Vorteil, direkt an der Quelle einkaufen zu können. Man stellt sie sich vor, wie sie mit ihrem Kleinbus den Kleinbauer oder von mir aus den Wochenmarkt auf einem Dorfplatz ansteuern, die Tomate in die Hand nehmen, sie riechen und hineinbeißen, um sie zu testen (denn sie wissen nämlich, wie die Tomate zu schmecken hat), sich für sie entscheiden und an uns denken, die morgen oder sogar übermorgen, von mir aus auch überübermorgen die wunderbare Tomate ohne zögern von ihnen kaufen werden. Weil wir auch gleich sehen und riechen, daß diese die wahre Tomate ist.
Aber nein, liebe Freunde, wir sind wieder in der falschen Vorstellung! Denn wohin fährt unser kleiner Italiener? Wo holt er sein super-1.Klasse Gemüse ab? Ja, richtig gedacht: In Verona!

Und ich, ich glaubte schon immer, daß die Kleinen und die Minderheiten unsere Welt noch bunt machen, das Anderssein vor der globalisierten Vereinheitlichung der Wünsche, der Gedanken, der Geschmäcker retten. Aber was bleibt mir jetzt zu hoffen übrig, wenn selbst der winzigste Italiener nach Verona fährt? Er hat sich schon angepaßt, er hat sich schon das Zwangshemd der Gleichschaltung überziehen lassen und versteht nicht meine Enttäuschung, wenn ich ihm sage, daß ich seine Tomaten schon kenne, schon bevor ich sie gesehen habe. Wie lange noch bis niemand sich an den Geschmack einer Tomate erinnern wird? Dann, eben dann wird man uns sagen, wie die Tomate auszusehen und zu schmecken hat und wir werden alle ausnahmslos daran glauben und sie kaufen, die plattgemachte, globalisierte Tomate.

Wie schmeckt eingentlich eine Tomate? Eine echte,meine ich. Oder eine Artischocke? Weißt das jemand noch? Sind in unserem Gedächtnis noch Spuren von der Sonne, von der Erde, von den Mineralien, die das Gemüse ausmachen? Wie riecht eine Tomate? Weißt jemand noch, daß eine Tomate, eine wahre meine ich, sehr schön riecht? Kann es mir jemand beschreiben?

Monday, September 8, 2008
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 14:20

Die Zeitschrift Die Zeit vom 17.7. trägt den Titel (ganz groß) Wie ticken die Linken? Unter den Bekannten, die sich zu ihrem Linkssein äußern dürfen, ist auch Claus Peymann:

"Was ist links? Linke, sagt er (Peymann), seien Träumer, die etwas träumen, was sie dann nicht hinkriegen. Rechte seien Pragmatiker, die etwas hinkriegen, was aber letztlich dann trotzdem schiefgeht...
Auf dem (Berliner Dorotheenstädtischen) Friedhof zwischen den Gräbern von Heiner Müller und Günter Gaus hatte Claus Peymann gesagt, früher sei für Leute wie ihn die Entscheidung zwischen links und rechts immer auch eine Frage nach Gut und Böse gewesen. Und heute? Er denkt kurz nach, was Heiner Müller dazu gemeint hätte und über all die Verbrechen, die im linken Namen verübt wurden. Und dann sagt Peymann: - Und heute ist es auch noch so.- "

Wednesday, July 30, 2008

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 14:17

An The Set in der Filmgalerie 451 hatten wir wieder KÜCHE und KINO. Erfreulich gut besucht, viele gute Freunde der italienischen Küche und des italienischen Kinos. Dieses Mal hatten wir drei Filme aus Klassiker der italienischen Literatur.

Die größte Überraschung war für mich der Pinocchio von Roberto Benigni (er führt Regie und spielt Pinocchio). Damals war der Film in Italien ein Flop: Schlechte Kritiken und auch nicht viel Publikum. Zu sehr Hollywood, meinte man. Es gab schon eine treue (und gute) Fernsehverfilmung des Buches aus den 70er Jahren, mit der diese neuere zu Benignis Ungunsten verglichen wurde.
Den Film habe ich zum ersten Mal gesehen und ... der hat mir ziemlich gut gefallen. Ich glaube, die Absichten Benignis zu verstehen: Er hat kein Hollywood nachmachen, sondern viel mehr die Spaßgesellschaft zeigen und kritisieren wollen.

Pinocchio stellt in der herkömmlichen Interpretation den bösen, schlauen, trotzigen Bube dar, der ganz egoistisch und sorgenfrei den armen Geppetto (den Tischler, der ihn geschaffen hat und als Vater fungiert) ausnutzt und hintergeht. Pinocchio begibt sich eher bewußt von einem Abenteuer ins andere, und jedes Mal wird er bestraft, bis er einsichtig und so zum guten (angepaßten) Jungen wird. Pinocchio ist ein sehr moralisches Märchen. Etwas bieder im Grunde. Das Buch bekommen wir Italiener schon sehr früh im Leben als fast Pflichtlektüre in die Hand. Gott sei Dank ist das eine Lektüre, die viel Spaß macht. Aber die Moral...

Benigni kommt vom politischen Kabarett, er ist immer eine scharfe rebellische Zunge gewesen. Auch dieses Mal bleibt er kritisch, nur er tut es leiser, vermittelter. Anders als in der älteren Verfilmung ist der Pinocchio von Benigni grundsätzlich kein böser Bube: Seine Absichten sind gut, er möchte wirklich in die Schule gehen, er möchte einen Beruf lernen, er ist solidarisch mit seinen Freunden, er ist eine heitere Seele. Naiv und oberflächlich ist er aber auch. Sind vielleicht nicht alle Italiener etwa so?
Pinocchio läßt sich leicht ablenken. Die Mythen dieser Gesellschaft, die großen Lügen lenken ihn ab: Die Illusion von Geld, viel Geld leicht und schnell gemacht, Spass und Unterhaltung bis zum umfallen.
Neulich in Portugal bin ich zufällig abends nach Albufeira gekommen. Als ich die Szenen vom "Land der Spiele" (il Paese dei Balocchi) im Film von Benigni gesehen habe, kam gleich die Erinnerung an jene Nacht. Das Land der Spiele ist Algarve, Ibiza, Rimini und Riccione gleichzeitig. Und Pinocchio im Land der Spiele ist der moderne Durschnittsmensch, der für eine Weile dem grauen Alltag entgehen möchte und dafür sich in die Hölle dieser Spaßhochburgen hineinstürzt, ohne zu merken, daß diese keine Alternative, sondern eher eine Überspitzung seines Alltags und all dessen Zwänge sind.
Pinocchio ist im Film von Benigni der Durchschnittsitaliener, der sich von den Mythen der Spaßgesellschaft und von den Berlusconis dieser Welt zu gerne blenden lässt.
Geppetto ist hier auch nicht nur der gute, immer wieder von diesem Sohn getäuschte und enttäuschte Vater, nein, er ist einer, der aufblüht, als Pinocchio ihn mit den Gütern des Konsumismus versorgt und heilt: Dabei ist es ihm völlig gleichgültig, daß der Sohn sich "kaputt arbeitet", um das alles für ihn besorgen zu können. Der Generationenpakt funktioniert auch nicht mehr so gut, nicht mal im Märchen, und selbst in Italien nicht mehr, scheint Benigni sagen zu wollen.

Auch im Film von Benigni wird am Ende aus Pinocchio ein guter Bube. Ganz ein guter? Im letzten Bild sieht man, wie der Schatten der Marionette noch frei herum springt. Der fröhlich-rebellische Charakter, das Anderssein von diesem sehr italienischen kleinen Italiener überlebt die totale Eingliederung in das normale Erwachsenenleben. Und das ist gut so. Auch wenn er so weiter riskiert, sich von der nächsten betrügerischen Illusion verblenden zu lassen. Das Kind in uns... Meint Benigni. 

Tuesday, July 29, 2008

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 14:13
Ich liebe sehr Kino, bin aber auch überzeugt, daß Kino so wie Fernsehen (vielleicht nicht sooo ganz aber trotzdem...) sehr "Mitteilungskräftig" sein kann, mit anderen Wörtern verdeckte politische "Messages" beinhalten kann. Bester Beweis dafür ist dieser Film: Juno. Von der Kritik hochgelobt, als feschen indipendent Film präsentiert, "anders" gefilmt, witzige Dialoge, freie tolerante Eltern, sozialkritisch schneidet die intellektuelle bürgerliche Familie schlecht ab (zeugungsunfähig, also gar keine Familie im Grunde, läßt sich scheiden  vielleicht), während die sozial niedriger gestellte einfache Handwerkerfamilie von Juno die ewige Liebe (in zweiter Ehe eigentlich) gefunden hat. Juno ist ein Film, in dem Kondome eklig nach Aprikose schmecken, 6-Wochen-alte Fötus Fingernägel haben, Frauenberatungsstellen von abstoßenden weiblichen Unwesen wimmeln, eine 16jährige Schülerin (wunderbare Schauspielerin übrigens!) irgendwie schwanger wird, ohne jegliche sichtbare Schwierigkeit ein Kind gebärt, um es gleich in Adoption zu geben und gleich danach problemlos zu ihrem sowieso glücklichen Leben zurückzukehren.

Das ist ein auf einer schlauen Weise sehr reaktionärer Film, der gegen das vorgeht, was die Frauen sich erkämpft haben: Das Recht auf legale Abtreibung z.B., Verhütung z.B., den Anspruch, berufstätig sein zu wollen, ohne dafür die eigene Weiblichkeit verneinen zu müssen... In den letzten Jahren sind Filme in die Kinos gekommen, die sich als die begeisternden alternativen Filme präsentieren, in der Tat aber nach konservativem bis reaktionärem Mist stinken. Juno ist die letzte Blüte in diesem Rosengarten, "Thank You for Smoking" gehört auch dazu und jener wunderbarer französischer Dokumentarfilm "Haben und Sein" ist der schlimmste von allen! Ja, guckt euch diese Filme an, liebe Freunde, das ist gut, aber bitte ohne Verschönerungsbrille und nicht aus der Sicht der herrschenden Filmkritik von der angeblich freien Presse.

Monday, July 14, 2008

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 14:11
Neulich vor dem Hauptbahnhof ist mein Auto nicht mehr angesprungen: Batterie ziemlich... abwesend. Blieb mir nichts übrig, als die vielen Taxifahrer um Hilfe zu fragen, die immer da herum stehen, sitzen, schwatzen. Nach einem kurzen anfänglichen Zögern (na ja, die dämlichen Frauen und das Auto) haben sich sogar um die 4 Männer bewegt. Um mich "gleichzustellen" und nicht den Eindruck zu geben, ich lasse mich schieben, habe ich gesagt, daß ich auch mitschieben wollte. So hat sich einer von ihnen ins Auto gesetzt, ein kleiner drahtiger, sonnengebräunt, kein Deutscher. Im Radio lief – wie immer bei mir - SWR2: Oper, irgendeine wunderbare Opernarie wurde gesungen. Den meisten geht solche Musik auf die Nerven, das weiß ich, und sicher noch mehr, wenn sie ein Auto zu schieben haben. So habe ich dem Mann gesagt, er darf das Radio abstellen. Nein, nein – hat er geantwortet – er höre auch nur das. Was? Hört er auch gerne SWR2? Überrascht war ich. SWR2 ist ein sogenannter Kultursender mit viel Gesprochenem und wunderbarer Musik, klassischer, Jazz, einigem "Schrägen" und etwas Worldmusic, nicht unbedingt der Sender für gelangweilte bis genervte Taxifahrer, könnte man denken.

"Ach was? Sie auch SWR2?" Sage ich. "Jaaa, das ist die Rettung, es rettet das Leben" erwidert er.
Also, es lebe der SWR2, Lebensretter.

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 13:57
Vor kurzem hatte ich eine kleine spontane Bemerkung eingetragen über die verschiedenen Sprachen, die wir benutzen, und die Art wie wir mit Kopf und Magen dazu stehen. Ich habe einen wunderbaren mail bekommen, die ich mir erlaube, hier wieder zu geben.

Hallo Loretta
– schreibt Siglinde - habe grade mal auf Ihrer Nicht-Homepage gestöbert und bin auf Ihren Eintrag "Kopf und Bauch" gestossen, der mich doch nachdenklich gemacht hat.
Ich spreche neben meiner (deutschen) Muttersprache noch drei Sprachen, wie man so schön sagt "verhandlungssicher", und in der Tat war auch mir schon aufgefallen, daß ich die Sprachen in unterschiedlichen Tonlagen einsetze.
Deutsch liegt eigentlich relativ (hysterisch?) hoch.
Dasselbe gilt für englisch; ich habe nie in einem englischsprachigen Land gelebt, die Sprache als solche ist mir (außer bei Hemingway und Shakespeare) eigentlich auch nicht sehr sympatisch, sondern ein Arbeitsmittel bzw. Kommunikationsmittel in der Arbeitswelt. Hier würde Ihre Theorie vom Kopf zutreffen.
Französisch - in Paris habe ich gelebt, geliebt, gearbeitet und studiert und war sehr glücklich - liegt tonlagenmäßig tiefer.
Portugiesisch - in Lissabon habe ich die 12 besten Jahre meines Lebens verbracht - kommt tonlagentechnisch am meisten "aus dem Bauch" und entspricht am meisten meiner Singstimmlage - und auch spanisch, das ich nur sehr unvollkommen spreche und italienisch, von dem ich nur ein paar Worte kann, setze ich viel tiefer an als meine Muttersprache.
Heißt das jetzt nach Ihrer Theorie, daß ich eigentlich eine verkappte Latina bin, die der Storch nur aus Versehen am Rand der schwäbischen Alb verloren hat? Fakt ist: mit dem Bauch bin ich hier in Deutschland nie wieder richtig angekommen.
Jedenfalls: vielen Dank für den Denkanstoß - mal sehen, was sich draus entwickelt...

Ja, das meine ich: wir stehen zu jeder Sprache anders und jede Sprache beansprucht und "bewegt" unseren Körper und Verstand (mente, mind... warum gibt es auf Deutsch ein solches Wort nicht? Der Verstand ist es nicht...) auf ihre eigene Weise.

Ich spreche Englisch ungern...

...weil es eine sehr zackige, gebrochene Melodie hat. Englisch ist auch eine "geizige" Sprache, füllt nie den Mund, gibt sich nicht dem Sprechenden: Mit den vielen Halb- und Mischlauten müßte man sie am besten mit fast geschlossenen, zusammengezogenen Lippen zischen, um die Aussprache einigermaßen hinzukriegen. Unser italienisches rotierendes rrrrr... die eindeutigen oooo oder aaa oder uuu im Gegensatz...!
Ich spreche ungern Englisch, auch weil ich in meiner kurzen Zeit (wenige Monate) in der englischen Provinz keine schöne Erfahrungen machte.
Ich liebe aber die englische Literatur, liebe Tom Jones und die Bücher von Thomas Hardy und auch D.H. Lawrence. Ich finde die Geschichtsschreibung der Historiker in GB einmalig. Es ist als ob sie auf Grund der Eigenschaft dieser Sprache (schnell und pragmatisch) ganz natürlich eine besondere Gabe entwickelt hätten für die Beobachtung des Alltags und der Gesellschaft: Keine hohe philosophische Geschichtsschreibung, sondern lebhafte Beschreibungen der Lebensweisen und der sozialen Ursprünge von historischen Ereignissen. Hilfswerke fast, um zu kapieren woher wir kommen ... und (vielleicht) wohin wir gehen.

  Die deutsche Sprache...

... liebe ich wegen ihres schweren kompakten Systems. Ich finde hier die logischen Strukturen des Lateins wieder. Deutsch erinnert mich an den "Sound" vom Latein und an jene großartige Literatur des alten Roms.
Deutsch, eine Sprache der großen abstrakten Gedanken. Die Sprache der Philosophie und des Dramas. Weil sie sich dafür eignet. Weil Struktur und Logik besser als der Zufall die Abstraktion gewähren lassen. (Englisch ist purer Zufall).
Deutsch eine Sprache der Ordnung. Zwingt, die Gedanken in ein System einzurahmen, wenn man etwas verständliches von sich geben will. Auch deshalb ist Deutsch meine Sprache: Für Leute wie mich, die viel Chaos um sich haben und produzieren, gibt sie eben einen Rahmen.

Ich bin überzeugt, daß diese schwere Struktur der deutschen Sprache sogar die Art und Weise beeinflußt, wie die Deutschen z.B. in einer Diskussion miteinander sprechen. Diskussionen unter Italienern (nicht nur... auch unter Spaniern oder Franzosen...) laufen meistens auf ein lautes gleichzeitiges Zusammen- und Gegeneinanderreden (und –schreien) hinaus. Die Deutschen aber sprechen immer mit Bedacht, fallen sich nicht ins Wort. Ja, weil die Sätze überlegt sein müssen, im Kopf komplett gebildet werden müssen, um einen Sinn zu bekommen. Vielleicht.

Sunday, June 22, 2008

 

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 13:57
Relativ ist die Sprache: das Gleiche kann hie und dort ganz verschiedene Namen haben. Neulich habe ich z.B. entdeckt, daß bei Germanwings Lissabon auch Barcelona heißen kann (das ist aber eine andere Geschichte, werde ich ein anderes mal erzählen).
Eines ist aber klar: obgleich wir offen zu Änderungen und Anpassungen der Sprachen stehen, eine gewisse Einigkeit über die Benennung der Dinge sollte doch gewährleistet sein. Sonst könnten einige unserer (Reise)Ziele ziemlich durcheinander kommen!
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 13:54
Vor einem Jahr haben wir Agretto entdeckt. Dieses Jahr kochen wir noch oft dieses Gemüse. Viele denken, daß es sich um Algen oder um etwas ganz neues handelt. Falsch: Es ist ein Gemüse mit Tradition, das in Italien wächst und in manchen Gegenden (Marken, Latium, Ligurien, Emilia Romagna) oft auf den Tisch kommt.

Agretto hat auf Italienisch viele kuriose Namen: Barba del Frate (Mönchsbart), Roscano, Senape dei Monaci, Barba del Negus... Der botanische Name ist Salsola Soda und es gehört zu den Salzkräutern. Agretto enthält viele Mineralien und reichlich Chlorophyll (deswegen ist es gut gegen Anämie und fürs Herz). Aus der Asche von der Salsola Soda oder Salsola Kali gewann man in der Vergangenheit Soda bzw. Natriumkarbonat und Kalium (daher der Name), die für die Herstellung von Glas benutzt wurden. Deshalb war der Anbau von S.S. schon im 18.Jh. in Venedig verbreitet.

Agretto (wie der Name auch sagt) schmeckt leicht säuerlich und ist sehr einfach zu kochen: Es wird ganz kurz gedünstet (so kurz daß es noch knackig bleibt), dann gleich mit kaltem Wasser abgeschreckt und mit einem milden Olivenöl angemacht (ich habe es auch mit Arganöl und Kürbiskernöl probiert: Das Nüßige dieser Öle verdeckt etwas den Geschmack des Agretto, aber man kann wenig Zitronensaft oder ein Paar Tropfen von einem milden Essig dazu geben, um die saure Note zu retten). Meistens wird der so gekochte Agretto in der Pfanne mit Olivenöl, Knoblauch, Tomate und Sardellen kurz aufgewärmt und als Beilage zu Fleisch gegessen.

Wednesday, May 28, 2008

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 13:50

Dicke Bohnen werden sie genannt. Oder auch Saubohnen. Schweinefutter. Abschätzig klingt der Name. Fave auf Italienisch. Wenn man bei uns von einem Menschen sagt "Du bist eine fava... quella fava di..." heißt das gaaanzgaaanz geringschätzig "Du bist eine Niete... der Armleuchter soundso...". Ich erinnere mich aber an manche frische Frühlingsvormittage auf dem Land in Italien: Die Sonne hatte die feuchte Kühle der Nacht noch nicht gesogen, alles leuchtete grün, wie neu. Zum Frühstück hatten wir aus dem Garten hinter dem Haus die dicken Bohnen geholt, wir hatten Salz, wir hatten das weiße ungesalzene Brot und wir hatten den frischen milden Pecorino der Toskana. Die Hülsen knackten frisch als wir sie öffneten, um die Bohnen daraus zu nehmen, die wir dann leicht gesalzen zusammen mit dem Brot und dem Käse aßen.
Ist es die Sehnsucht nach jener Echtheit, nach jener Einfachheit der Dinge, die die Erinnerung verschönert?


Hier und jetzt habe ich dicke Bohnen, Salz, Olivenöl, Pecorino und kleine Artischocken. Der Garten woher sie kommen ist weiter weg, in Italien, aber aus einem Garten kommen sie doch, Rita hat sie von zu Hause mitgebracht: Noch währt der Geschmack von der Erde, von den Nächten und der Sonne. Die kleinen Artischocken sind auch aus Ritas Garten in Italien. Dort werden sie zum Einmachen genommen. Ich lasse die ersten härteren Blätter weg und tunke die anderen in ein kräftiges, leicht bitteres, stark nach Oliven schmeckendes toskanisches Öl ein, in das ich reichlich Salz zugegeben habe. Eine Offenbarung: Wie lange hatte ich schon kein "richtiges" Extravergine probiert? Der erste Gedanke ist: bitter. Der zweite: brennt im Hals. Der dritte: Oliven! Der vierte: Noch mehr Oliven! Der fünfte: Grün. Der sechste: So schmeckt ein wahres Olivenöl. Der siebte: Ich hatte vergessen, wie das ist, darf nicht mehr passieren, kostewaseskoste (na ja, gute Öle sind teuer)!
Der Käse ist dieses Mal kein toskanischer, sondern ein Pecorino aus den Marken: mild aber gleichzeitig voll und rund im Geschmack.
Das Salz, ja, das Salz ist ein Fleur de Sel de Guerande, kein normales Salz, sondern "etwas anderes": salzt weniger aber trägt in sich die geheimnisvollen Geschmäcker des Meeres und der Algen und der Wesen im Meer und... Man muß nur die Sinne öffnen und aufmerksam wahrnehmen, dann erschließen sich die kleinen Geheimnisse dieses Produktes, das (buchstäblich) von Menschenhand der Natur geklaut wurde.
Das Brot ist ein weißes aber kein toskanisches: Es stammt von unserem wunderbaren Italiener in Stuttgart und wird nach Apulienart gemischt und gemacht (jedes Mal, wenn sie nach Italien fährt, bringt Rita etwas von diesem Brot aus Stuttgart mit, denn bei ihr gibt es nichts dergleichen!).

Sind Sie mit Freunden zusammen? Stundenlang kann man davon essen, es ist leicht, es ist mild, es schmeckt und es macht Spaß. Nur die Finger werden braun von den Artischocken.

Ich bin allein und übe Multitasking: lese ein Krimi (Camilleri, leicht, gut geschrieben, mit Tiefgang, sehr sizilianisch dieser Commissario Montalbano), esse und genieße diese einfachen Natursachen, dabei/dazu trinke einen jungen fruchtigen Wein, einen Negroamaro (schöner Name für einen Wein!) aus Apulien. Der leicht bittere Geschmack der Artischocke läßt das Jugendliche und die Traube in diesem doch gut strukturierten Wein zur Geltung kommen. Das sind stille Momente der Fülle und des puren Genusses. Provare per credere! Sagt man in Italien.

Tuesday, May 27, 2008
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